Inmitten des explosiven Machtkampfs bei Red Bull zeichnet sich für Formel-1-Weltmeister Max Verstappen ein Fluchtweg ab. Trotz Langzeitvertrags bis Ende 2028 soll der niederländische Starpilot nicht zum Bleiben gezwungen werden – wenn er denn tatsächlich seinen Heimrennstall vorzeitig verlassen will.
«Es ist wie mit allem im Leben: Man kann niemanden dazu zwingen, irgendwo zu sein, nur weil es ein Stück Papier gibt», zitierte unter anderem das Fachmagazin «Autosport» Verstappens in der Kritik stehenden Teamchef Christian Horner nach dem Grand Prix in Saudi-Arabien am vergangenen Wochenende. «Wenn jemand nicht in diesem Team arbeiten will, dann werden wir niemanden gegen seinen Willen zwingen, hier zu arbeiten.»
Mercedes als neue Heimat für Verstappen?
Das gelte bei Red Bull etwa für Maschinisten wie auch für Designer – und nun also auch für Verstappen. Die Frage ist allerdings nicht nur, ob für Verstappen schon der Punkt erreicht ist, weg zu wollen. Sondern auch, was Horners brisante Aussagen in der ohnehin schon arg angespannten Führungsetage des Getränkekonzerns auslösen.
In Mercedes-Teamchef Toto Wolff hätte Verstappen jedenfalls schonmal einen glücklichen neuen Boss. Der Österreicher sucht ja einen Nachfolger für Formel-1-Rekordweltmeister Lewis Hamilton, der im kommenden Jahr zu Ferrari wechselt. Und Wolff würde Verstappens Förderer und Red-Bull-Motorsportberater Helmut Marko gleich mitverpflichten, scherzte der Mercedes-Funktionär in Saudi-Arabien.
Marko fehlt die rote Kappe
«Uns fehlt eh unser altes Maskottchen», alberte Wolff im ORF und hatte im Hinterkopf seinen 2019 verstorbenen Teamaufsichtsrat und österreichischen Landsmann Niki Lauda, dessen Markenzeichen eine rote Mütze war. «Er passt vom Alter. Eine rote Kappe hat er nicht, aber dann kommt er zu uns.»
Neben der Erkenntnis, dass der explosive Machtkampf bei Red Bull den Branchenführer in die Krise stürzen könnte, war das eine zweite Erkenntnis in Dschidda: Wolff hat seinen Humor weiter nicht verloren. Auch wenn das einstige Weltmeisterteam Mercedes schon im dritten Jahr nacheinander hinterherfährt.
Wolff hätte Verstappen «liebend gerne»
Dort, wo Red Bull und der dreimalige Weltmeister Verstappen aktuell stehen, nämlich ganz oben, standen einst auch die Silberpfeile mit ihrem Superstar Hamilton. Doch der Engländer wechselt entnervt vom Hinterherfahren zur kommenden Saison zur Scuderia. Verstappen wäre die Deluxe-Lösung für die Nachfolge. «Ich hätte ihn liebend gerne», versicherte Wolff, «aber wir müssen erstmal die Probleme mit unserem Auto lösen.»
Schon im dritten Jahr am Stück bekommt Mercedes sein instabiles Heck nicht in den Griff, was in den schnellen Kurven Zeit kostet. Die Fahrer klagen außerdem weiter über das sogenannte Bouncing, bei diesem Aerodynamik-Phänomen hüpft das Auto quasi über den Asphalt. «Wir müssen das endlich in den Griff kriegen», forderte ein frustrierter Hamilton, der seinen letzten Grand Prix im Dezember 2021 in Saudi-Arabien gewann.
Gibt es eine Klausel in Verstappens Vertrag?
Verstappen hingegen hat saisonübergreifend die vergangenen neun Rennen gewonnen. «Der Max wird immer dort fahren, wo es das schnellste Auto gibt: Und heute ist das der Red Bull», äußerte Wolff, der zu Max und dessen Vater Jos ein gutes Verhältnis pflegt. «Wir fühlen seit zehn Jahren vor. Seitdem er in der Formel 1 ist, sprechen wir miteinander.» Der Vertrag des Niederländers läuft eigentlich noch bis Ende 2028. Doch eine Klausel soll es ihm ermöglichen, vorzeitig auszusteigen, wenn sein Förderer Marko gehen muss.
Dieses Szenario ist weiter nicht komplett ausgeschlossen, auch wenn eine Ablösung des grantigen Österreichers, der einen Vertrag bis 2026 besitzt, nach einem Krisentreffen mit Red-Bull-Geschäftsführer Oliver Mintzlaff erstmal vom Tisch ist. «Ohne ihn im Team, glaube ich, wird es ein Problem geben, auch für mich selbst», sagte Verstappen.
Machtkampf bei Red Bull
Die Quelle des Wirbels liegt im brodelnden Skandal um Teamchef Horner, der schon lange als Widersacher Markos gilt. Eine Mitarbeiterin hatte dem Briten unangemessenes Verhalten vorgeworfen. Nach einer internen Untersuchung war die Beschwerde abgewiesen worden. Danach wurden jedoch anonyme Mails mit pikanten Details an Journalisten und Formel-1-Offizielle versendet, die den 50-Jährigen erneut unter Druck brachten. Marko wurde als Quelle des Datenlecks verdächtigt.
Horner ist bis zuletzt von den thailändischen Mehrheitseigentümern von Red Bull gestützt worden, die Medien zufolge mit der österreichischen Seite des Getränke-Konzerns um die Erben des gestorbenen Mitgründers Dietrich Mateschitz ringen. Für den vergangenen Sonntag hatten sich beide Parteien angeblich in Dubai für weitere Gespräche über die konfliktgeladene Situation verabredet. Horners jüngstes Angebot für einen Ausweg an Verstappen dürfte die Lage bei Red Bull weiter befeuern.
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