Bahrain, Saudi-Arabien, Australien. Die Welttournee der Formel 1 hat gerade erst Fahrt aufgenommen. Doch der Rekordkalender mit erstmals 24 Grand Prix auf fast allen Kontinenten nervt die Stars um Weltmeister Max Verstappen bereits gewaltig.
«Ich habe schon jetzt das Gefühl, dass wir das Limit an Rennen weit überschritten haben», kritisierte der niederländische Red-Bull-Pilot bereits vor dem ersten Rennen des Jahres in Bahrain. «Ich weiß natürlich, dass ich noch sehr jung bin, aber ich weiß auch, dass ich 24 Rennen nicht noch zehn Jahre lang machen werde.» Verstappen ist 26.
Die Formel 1 umrundet fünfmal die Welt
Die Formel 1 hat den Anspruch, ein globaler Sport zu sein. Mehr als 200.000 Kilometer werden auf der logistischen Tour von Abu Dhabi bis Zandvoort zurückgelegt, das entspricht fünf Weltumrundungen. Trotz allem Luxus vor allem für die Stars und Führungskräfte der Motorsport-Königsklasse: Das zehrt an den Kräften.
«Meiner Meinung nach sind wir schon zu weit gegangen», meinte Ferrari-Pilot Carlos Sainz, dessen Einsatz an diesem Wochenende in Melbourne wegen der Folgen einer Operation am Blinddarm nicht sicher ist. «Wir sind am Limit, was die Zahl der Rennen für Teampersonal, Fahrer, weitere Formel-1-Mitarbeiter, Journalisten und so weiter betrifft.»
Sogar 32 Grand Prix möglich
Die Formel 1 boomt – und das beschleunigt die Expansion. Denn der Kampf um Bruchteile von Sekunden auf dem Asphalt sorgt für fette Einnahmen und befeuert damit auch die Gagen der Protagonisten. «Wir könnten schon heute mehr als 30, sogar 32 Rennen haben, weil jeder eines veranstalten will», äußerte Geschäftsführer Stefano Domenicali zum Saisonstart vor einem Jahr in verlockendster Marketingmanier. Gleichzeitig bezeichnet der Italiener 24 Grand Prix als angemessen für die absehbare Zukunft. Doch wann sieht die Formel 1 den nächsten Zukunftsschritt gekommen?
Sainz sieht die Gefahr, dass das Premiumprodukt verwässert wird. Die Formel 1 laufe Gefahr, dass die TV-Zuschauer «ein wenig den Appetit verlieren», mahnte er. «Die Formel 1 muss exklusiv bleiben.» Der Spanier, der zur kommenden Saison bei Ferrari von Rekordweltmeister Lewis Hamilton verdrängt wird, zog einen Vergleich zur Champions League im Fußball. «Die bekommt man nicht so oft, und die Höhepunkte dieser Spiele verbinden die Menschen.» Allerdings wurde auch die Fußball-Königsklasse über die Jahre aufgebläht.
Formel-1-Manager für Wohlbefinden
Der Formel-1-Zirkus zieht aber weiter. Von Dschidda bis nach Melbourne sind es knapp 13 000 Kilometer Luftlinie. Ein Verstappen muss nicht in der Economy-Klasse fliegen, die Stars genießen den Komfort von Privatjets. Die Teams kümmern sich aber auch längst um Herz und Kopf aller weiteren Mitarbeiter. Für Mechaniker, Datenwissenschaftler & Co. gibt es Wohlfühlmanager, die sich auch um Schlafgewohnheiten angesichts von Jetlag-Distanzen kümmern. Die Köche wiederum bereiten Soulfood zu, das der Seele guttut. «Man muss sich um die hart arbeitenden Menschen kümmern», betonte Mercedes-Teamchef Toto Wolff.
Längst gibt es auch Rotationssysteme für Mitarbeiter – sogar unter den Führungskräften am Kommandostand. «Wenn wir an den Punkt gelangen, dass wir Fahrer rotieren, dann sind wir zu weit gegangen», befand Sainz.
«Nachhaltigkeit sollte im Mittelpunkt stehen»
Dieses Szenario ist nicht realistisch. Spitzenfahrer wie Verstappen oder Hamilton sind wegen ihrer Klasse nicht austauschbar. Doch die Welttournee ist auch eine Belastungsprobe für die Umwelt. Man müsse «auch an die Auswirkungen denken, die wir auf die Welt haben», bemerkte Mercedes-Pilot Hamilton. «Je mehr Rennen wir veranstalten, umso mehr reist dieser ganze Zirkus überallhin. Nachhaltigkeit sollte im Mittelpunkt der Entscheidungen stehen.» Die Formel 1 jedenfalls will bis 2030 klimaneutral sein.
Die 24 Events in diesem Jahr hält auch Fernando Alonso für übertrieben. «Das ist nicht nachhaltig, für niemanden», kritisierte der Aston-Martin-Fahrer aus Spanien. Als Alonso 2001, also vor fast einem Vierteljahrhundert, sein Formel-1-Debüt gab, wurden noch 17 Grand Prix gefahren. Der zweimalige Weltmeister fürchtet angesichts von Verstappens Dauerdominanz aber noch etwas ganz anderes. «Stellen Sie sich vor, wie wir in die Rennen der zweiten Saisonhälfte gehen», meinte Alonso fast schwermütig, «und wenn es dann keinen Anreiz mehr geben sollte, um etwas zu kämpfen.»
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