Das umstrittene Schleich-Ende vor pfeifenden Tifosi ausgerechnet im «Temple of Speed» wird den bevorstehenden nächsten WM-Triumph von Max Verstappen nicht trüben.
Anders als bei seinem Premieren-Titel im vergangenen Jahr, als es so eng zuging, dass sein Manöver in der letzten Runde des letzten Rennens Rekordweltmeister Lewis Hamilton vom Thron stürzte, stößt Verstappen in diesem Jahr in neue Dimensionen der Dominanz vor. Elf Rennen von 16 hat er gewonnen, die vergangenen fünf in Serie, der Saisonsieg-Rekord von Michael Schumacher und Sebastian Vettel wackelt.
«Es ist großartig, was wir mit dem Team erleben. Es ist auch wichtig, das zu genießen», betonte der Red-Bull-Star, für den die erneute Krönung schon beim kommenden Rennen in der Nacht von Singapur möglich ist. Ein Rennen mit einer gewissen Tendenz zum Safety-Car-Einsatz.
Safety Car in Singapur Normalfall
Seit der Premiere 2008 bis zum bis dato letzten Grand Prix dort 2019 musste in jedem Rennen auf dem beleuchteten Stadtkurs das Safety Car raus, insgesamt 17 Mal. Eine Zieldurchfahrt womöglich zum Titel für Verstappen wie auf dem Autodromo Nazionale di Monza – maximal unerwünscht. «Die größten Verlierer» seien die Fans gewesen, sagte Verstappens Red-Bull-Teamchef Christian Horner: «Wir müssen das schnell angehen».
So ein faules Ende hätten die rund 140.000 gut gelaunten Zuschauer in Monza nicht verdient gehabt, befand das Schweizer Boulevardblatt «Blick». In Italien ätzte «Tuttosport»: «Der GP von Italien wurde zerstört. Chaos Fia. Und wer entschädigt jetzt dafür?» Die Rennleitung um den Deutschen Niels Wittich habe sich diesmal einfach an die Regeln gehalten, betonte Mercedes-Teamchef Toto Wolff.
Das war bei der WM-Entscheidung im vergangenen Jahr noch anders gewesen, was die Diskussion um ein zwar unwürdiges, aber sportlich sauberes Finale eines hochemotionalen Rennens im Land der Tifosi befeuert. Damals in Abu Dhabi hatte der später entlassene Rennleiter Michael Masi alles für den Showdown getan: Und Verstappen überholte und entthronte Rekordweltmeister Lewis Hamilton.
Sicherheit steht über allem
In Monza reichte die Zeit nicht zur Bergung des abgestellten McLaren. Dass Daniel Ricciardo einen Gang eingelegt hatte, hatte es erschwert. «Man hätte das Rennen schneller freigeben können für die Show», befand aber Ferrari-Teamchef Mattia Binotto, dessen Star-Pilot Charles Leclerc eigentlich im Siegduell mit Verstappen schon abgeschlagen gewesen war und nur durch die Safety-Car-Phase noch mal ran kam.
Über allem bei der Bergung stand aber die Sicherheit: Die Bilder des Marussia von Jules Bianchi 2014 in Japan unter einem Bergungskran haben sich eigentlich mahnend ins kollektive Formel-1-Gedächtnis eingebrannt. Der Franzose starb im Sommer des darauffolgenden Jahres, zu schwer waren die Verletzungen gewesen.
Und selbst wenn es in Monza zu einer Unterbrechung und einem Re-Start gekommen wäre: «Ich wäre nicht sehr besorgt gewesen», betonte Verstappen. Zu überlegen, zu souverän, zu stark ist er einfach in diesem Jahr. Der Titel 2021 hat den früher auch wild und brachial fahrenden Niederländer erstaunlich reifen lassen. Verstappen, der vor einem Jahr beim WM-Duell mit Hamilton in Monza noch für einen heftigen Crash gesorgt hatte und mit dem Red Bull auf dem Mercedes gelandet war, ist nun kontrolliert und kalkuliert.
Neben den fahrerischen Qualitäten des Hochbegabten kommt ein Auto dazu, das mit Verstappen eine unschlagbare Einheit bildet, wie es die Fans einst von Michael Schumacher bei Ferrari, Sebastian Vettel bei Red Bull oder Hamilton bei Mercedes kannten. Kein Wunder, dass Verstappen nur noch zwei Siege in diesem Jahr vom Saisonrekord Schumachers und Vettels entfernt ist. Ob mit oder ohne Safety Car – Verstappen ist auf dem Weg zu einer denkwürdig-erfolgreichen Saison.
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