Bevor sich Lukas Tulovic den ersten Bissen seines Mittagessens genehmigt, zückt er sein Handy. Das macht der 22-jährige Motorradrennfahrer aber nicht wie manch andere in seinem Alter, um davon Bilder in den Social-Media-Kanälen zu posten.
Vielmehr geht es dem einzigen deutschen Piloten in der Weltmeisterschaft kurz vor dem Saisonstart um sein Gewicht. Die auf dem Handy installierte App dient dem Moto2-Fahrer zur Kontrolle. Denn jedes Pfund mehr auf den Rippen kostet auf der Strecke Zeit.
Durch Intervallfasten zum Zielgewicht
«Ich mache Intervallfasten und nehme kein Abendessen zu mir», sagt Tulovic der Deutschen Presse-Agentur vor dem Auftakt am Sonntag im portugiesischen Portimao. Seine strikte Disziplin und das harte Training haben sich ausgezahlt. «So früh in der Saison habe ich mein Zielgewicht von 66 Kilogramm noch nie erreicht», sagt der 1,85 Meter große Eberbacher. Ein Problem sieht er darin nicht. «Es sind so viele Leute in das Projekt involviert und es fließt so viel Geld. Da wäre es nicht angebracht, wenn ich etwas nicht optimieren würde, was ich optimieren könnte.»
So möchte Tulovic in seiner zweiten Saison in der WM das Optimum herausholen. Er löste beim deutschen Husqvarna Liqui Moly Intact GP-Team seinen Landsmann Marcel Schrötter ab. Nach Jahren im MotoE-Weltcup und in der Moto2-Europameisterschaft möchte Tulovic angreifen. «2019 war er noch nicht bereit, er hätte mehr Zeit gebraucht», sagt sein Teamchef Jürgen Lingg. Jetzt sei Tulovic gereift. «Er ist ein junger Mann und kein Teenager mehr», so Lingg, der noch mehr Vorfreude vor dem Auftakt verspürt als in den Vorjahren.
Neue Kooperation vom Intact GP-Team
Das liegt auch daran, dass der Rennstall eine neue Kooperation eingegangen ist. Das Intact GP-Team arbeitet zukünftig mit dem ehemaligen GP-Sieger Peter Öttl und dessen Moto3-Truppe zusammen, um junge Talente heranzuführen. Allerdings kommen viele hoffnungsvolle Nachwuchspiloten nicht aus Deutschland. Die Situation gestaltet sich hierzulande weiter schwierig. «Wir machen, was wir können», sagt Lingg, der sich mehr Unterstützung vom Deutschen Olympischen Sportbund wünscht. «Das ist ja eigentlich auch deren Job», sagt er. «Ich mache mir schon Sorgen.»
Immerhin setzt sich der Allgemeine Deutsche Automobil-Club (ADAC), der auch das Grand-Prix-Wochenende auf dem Sachsenring mitorganisiert, seit mehr als 30 Jahren für den Motorradrennsport ein. Auch Tulovic kommt aus der Nachwuchsförderung des Verkehrsclubs. «Er hat in verschiedenen Nachwuchsklassen sein Talent bewiesen und wird sich sicherlich auch in der WM schnell zurechtfinden. Wenn er erfolgreich ist, spornt das auch den Nachwuchs an», sagt ADAC-Sportpräsident Dr. Gerd Ennser.
Aber selbst ohne die erfolgreichen Zugpferde in der Königsklasse ist das Interesse am Großen Preis von Deutschland groß. Für das dreitägige Event Mitte Juni auf dem Sachsenring wurden bereits 70 000 Karten verkauft. Im Vorjahr wurde dort mit insgesamt 232 202 Zuschauern ein neuer Besucherrekord aufgestellt.
Alleinunterhalter Tulovic
Im vergangenen Jahr durfte Stefan Bradl als Ersatzmann des achtfachen Weltmeisters Marc Marquez und Testfahrer von Honda einige Rennen bestreiten. Glänzen konnte er nicht. Nun ruhen die Hoffnungen auf Alleinunterhalter Tulovic. «Wir brauchen bessere nationale Meisterschaften und müssen schon in den unteren Klassen anfangen, Nachwuchs zu finden», sagt Lingg. Und Tulovic ergänzt: «Es könnte definitiv mehr passieren. Es gibt sie, die jungen und talentierten deutschen Fahrer.» Nach seiner Ansicht könnte es aber noch bis zu acht Jahren dauern, bis dem einen oder anderen Piloten der Sprung in die Moto3-WM gelingen kann.
Tulovic selbst nahm nicht den typischen Weg. Nach dem Abitur begann er ein Studium bei der Polizei, doch schon nach zehn Monaten setzte er alles auf die Karte Motorsport. Trotz einiger Rückschläge blieb Tulovic dran und geht nun mit forschen Tönen seine neue Aufgabe an. «Ich habe davon geträumt, seit ich fünf Jahre alt bin und hatte das Glück, dass meine Eltern mich unterstützt haben.» Und daran werde sich nichts ändern.
Auch dank seines gefestigten Umfelds möchte Tulovic, der vor vier Jahren nur drei Zähler in seinem ersten Jahr in der mittleren Klasse sammeln konnte, zum vorderen Drittel dazugehören. «Diese Vorgabe ist anhand der Leistungen und Zeiten des Vorjahres realistisch», sagt Tulovic. Die Platzierungen und Rundenzeiten bei den Testfahrten lassen trotz des 20. Rangs in der kombinierten Zeitenliste am Abschlusstag hoffen.
Kann er sich stetig steigern, wartet an den Weihnachtsfeiertagen ein leckeres Familienessen, bei dem Tulovic zur Belohnung für ein paar Stunden nicht auf die Kalorien achten muss.
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