Das gewaltige Personal-Beben beim taumelnden Alpine-Team versetzte Formel-1-Legende Alain Prost einen Stich ins Herz. «Ich liebe dieses Team, und ich bin traurig und betrübt, es in seinem derzeitigen Zustand zu sehen», beschrieb der viermalige Weltmeister seine Gefühlswelt nach dem großen Knall beim französischen Rennstall kurz vor der Sommerpause.
Gleich die komplette sportliche Leitung tauscht Alpine für die zweite Saisonhälfte aus, die ziemlich stillose Trennung von Teamchef Otmar Szafnauer und Sportdirektor Alan Permane irritierte das Fahrerlager.
«Wandel zu einem Siegerteam braucht Zeit»
Mitten im Tagesgeschäft beim Großen Preis von Belgien hatte das Team verkündet, dass für die beiden Spitzenfunktionäre nach dem Gastspiel in Spa-Francorchamps Schluss ist. Dabei hatte Szafnauer in der kurz davor veröffentlichten Ausgabe des offiziellen Formel-1-Podcasts noch beteuert, sein Job sei trotz des ziemlich verkorksten Saisonstarts sicher. Falsch gedacht. Die Chefs von Alpine und Konzernmutter Renault glaubten plötzlich nicht mehr an Szafnauers Zeitplan für den Erfolg.
Diese Ungeduld seiner Vorgesetzten wiederum trieb den jovialen 58-Jährigen zu einem etwas zweifelhaften Vergleich. «Man kann nicht neun Frauen schwängern und hoffen, dass man in einem Monat Vater wird», sagte Szafnauer bei Sky. Der Wandel zu einem Siegerteam brauche Zeit, anderswo abgeworbenes Top-Personal sei frühestens für 2024 zu bekommen. «Man kann diesen Prozess nicht beschleunigen», mahnte Szafnauer. Die Entdeckung der Langsamkeit aber ist in der Formel 1 nicht mehrheitsfähig.
Das Abrutschen auf Platz sechs in der für die Geldverteilung entscheidenden Teamwertung nach Rang vier im Vorjahr und die Häufung von Pannen, Patzern und Unfällen war der Konzernspitze zu viel. Alpine-Geschäftsführer Laurent Rossi verlor bereits Mitte Juli seinen Posten und wurde durch den früheren Ferrari-Manager Philippe Krief ersetzt. Der frühere Aufsichtsrat Prost bezeichnete Rossi in einer Kolumne für die «L’Equipe» als «unfähigen Manager, der glaubt, er könne seine Inkompetenz mit seiner Arroganz und seinem Mangel an Menschlichkeit gegenüber seinen Leuten überwinden.»
Zuletzt frisches Geld für Alpine-Team
Rossi hatte die Alpine-Crew um die eher farblosen Stammfahrer Pierre Gasly und Esteban Ocon zuvor öffentlich als «amateurhaft» kritisiert und ihnen die notwendige Einstellung abgesprochen. Lang vorbei sind die Zeiten, als das im britischen Enstone beheimatete Team unter dem Namen Benetton Michael Schumacher 1994 und 1995 zu seinen ersten zwei WM-Triumphen verhalf. Unter dem Dach von Renault kamen 2005 und 2006 mit Fernando Alonso zwei weitere Titel hinzu.
«Die Erwartung ist, dass wir so schnell wie möglich um Siege und Titel kämpfen», wiederholte Interimsteamchef Bruno Famin in Spa gebetsmühlenartig. Das Problem: Der Renault-Motor ist deutlich leistungsschwächer als die Triebwerke der Konkurrenz. Nun hofft Alpine auf eine Ausnahmeerlaubnis, den Motor trotz des geltenden Entwicklungsstopps aufpeppen zu dürfen. Dass gerade jetzt auch Technikleiter Pat Fry das Team verlässt und zu Williams wechselt, wirkt da umso verwunderlicher.
«Im Alpine-Team regiert das Chaos», stellte die «Neue Zürcher Zeitung» fest. Immerhin sammelte der Rennstall zuletzt frisches Geld ein. 200 Millionen Euro ließ sich eine Investorengruppe um Hollywood-Schauspieler Ryan Reynolds 24 Prozent der Anteile an Alpine Racing kosten. Das wachsende Interesse potenter Geldgeber an der Formel 1 könnte für Renault zur Versuchung werden. Ein Komplett-Verkauf wegen sportlicher Erfolglosigkeit scheint keineswegs mehr ausgeschlossen.
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