Jetzt schlägt sich auch noch die Formel 1 mit einem Videobeweis-Skandal herum. «Lächerlich», kommentierte die französische Sportzeitung «L’Équipe» nach der Farce von Dschidda um den 100. Podestplatz von Altmeister Fernando Alonso.
«Alonso feiert einen Podiumsplatz, der kommt und geht», schrieb «El País» aus der Heimat des Spaniers. Alonso selbst brachte das Ergebnis-Chaos in der Nacht nach dem Großen Preis von Saudi-Arabien auf den Punkt: «Das ist nicht gut für die Fans.»
Sie täten ihm leid, meinte er in Richtung der Anhänger und ergänzte mit Blick auf die Regelhüter des Internationalen Automobilverbandes: «Das ist eher eine Fia-Show gewesen.» Selbst der zwischenzeitige Profiteur George Russell forderte einen «gesunden Menschenverstand» bei den Sanktionen für die Piloten.
Und die Regelbehörde reagierte: Schon am kommenden Donnerstag soll das Prozedere Thema beim Treffen des Sportbeirats des Internationalen Automobilverbandes sein, hieß es von einem Sprecher. Bis zum kommenden Rennen am 2. April in Melbourne soll mehr Klarheit bestehen.
Bizarre Szenen
Das ist auch notwendig. Bei der Zieldurchfahrt hatten Alonso, das Aston-Martin-Team und die Fans noch mit dem Weltmeister von 2005 und 2006 dessen dritten Platz hinter Sieger Sergio Perez und Weltmeister Max Verstappen bejubeln dürfen. Auf dem Podium durfte er mit dem erschreckend dominierenden Red-Bull-Duo mit Trophäe mitfeiern.
Was dann folgte, waren bizarre Szenen und Stunden im Fahrerlager: Nicht Alonso, sondern Russell wurde eiligst zur Pressekonferenz gerufen, in der dieser sich über den nachträglich gewonnen dritten Platz freuen durfte, bis knapp vier Stunden nach dem Rennende die Kehrtwende folgte.
Alonso blieb Dritter, Mercedes-Fahrer Russell Vierter, den Pokal, den auch er zwischenzeitig ein bisschen ungläubig in den Händen gehabt hatte, musste er wieder Alonso geben. Inmitten der Aufräumarbeiten feierte Aston Martin in der Nacht noch einmal die Fahrt aufs Podest des 41 Jahre alten Asturiers. «Was nach dem Großen Preis von Saudi-Arabien 2023 passierte, war surreal», schrieb Spaniens «Mundo deportivo». «Alonso-Irrsinn», nannte es der Schweizer «Blick».
Alonso war Rang drei aberkannt worden, weil die Rennkommissare ihm nachträglich zehn Sekunden aufgebrummt hatten. Zu der Entscheidung waren sie gekommen, nachdem sich in Genf im sogenannten Remote Operations Centre die Videoreferees die Aufnahmen von der strittigen Szenen noch mal angeschaut hatten.
Wagenheber soll das Auto berührt haben
Dabei war offenbar im Gegensatz zur ersten Betrachtung festgestellt worden, dass Alonso bzw. das Team beim Absitzen einer Fünfsekundenstrafe während des Rennens gegen Regeln verstoßen habe: Der Wagenheber sollte das Auto berührt haben. «Ich sehe nicht, wo er angedockt haben soll», betonte Teamchef Mike Krack beim Sender Sky umgehend. Seine Jungs hätten extra eine Reserve eingebaut. «Wenn es eine Strafe gibt, müssen wir wissen, warum.» In den fünf Sekunden darf nicht am Wagen gearbeitet werden. Das Anlegen des Wagenhebers wurde aber so interpretiert.
Die Rennkommissare beriefen sich dabei auf eine Abmachung unter den Teams. Doch die, wie sich bei der neuerlichen Betrachtung herausstellte und zur Zurücknahme der Zehnsekundenstrafe führte, gibt es gar nicht.
Für weiteres Unverständnis sorgten vor allem auch die zeitlichen Abläufe des Strafen-Wirrwarrs. Denn die Videoassistenten hatten zunächst keinen Regelverstoß gesehen, als Alonso während einer Safety-Car-Phase nach nicht mal 20 Runden zum Boxenstopp reinkam.
Alonso bleibt gelassen
Während der 50. und letzten Runde bekamen die Stewards von der Rennleitung unter der Führung des Deutschen Niels Wittich den Hinweis, dass doch etwas nicht in Ordnung gewesen sein sollte. Es folgte die nachträgliche Strafe. Dagegen ging Aston Martin vor und forderte eine Neubetrachtung, bei der sich dann herausstellte, dass die Rennkommissare auf der falschen Annahme basierend entschieden hatten.
Alonso blieb während der Posse um seine Platzierung auffallend gelassen und fröhlich. Wenn er noch während des Rennens von den zehn Sekunden erfahren hätte, hätte er den Abstand vielleicht noch auf elf Sekunden erhöhen können, meinte er mit einem breiten Grinsen. Schon die fünf Sekunden hatte er rausgeholt, nachdem er beim Start nicht wie vorgeschrieben seinen Wagen platziert hatte – dies zumindest unstrittig und für alle sichtbar. «Mein Fehler», gab Alonso zu, der im WM-Klassement mit 30 Punkten nach seinen beiden dritten Plätzen in diesem Jahr ebenfalls auf Rang drei hinter Verstappen (44) und Perez (43) liegt und unterstrich, dass Aston Martin derzeit die zweite Kraft im Feld hinter Red Bull ist.
«Ich freue mich auf Australien als nächstes», betonte er bereits mit Blick auf den Klassiker in Melbourne am 2. April, wo er vor 22 Jahren zum ersten Mal bei einem Formel-1-Rennen gestartet war. Den Videobeweis gab es damals noch nicht.
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