Die dunklen Wolken über dem Autodromo Enzo e Dino Ferrari verliehen dem Kurs noch etwas mehr Dramatik. Pfützen auf dem Asphalt, Tifosi unter Regenschirmen.
Bereit und gespannt auf den großen Auftritt der drei großen Teams beim Großen Preis der Emilia Romagna: Ferrari, Mercedes, Red Bull. Und ihren Stars: Charles Leclerc, Lewis Hamilton, Max Verstappen. Vereint in der Gier nach dem ersten oder nächsten Formel-1-Titel. Und doch so unterschiedlich.
Was für WM-Spitzenreiter Charles Leclerc spricht
Im Moment sehr vieles. Der 24 Jahre alte Monegasse fährt das beste Auto im Feld. Der Ferrari F1-75 wird vom stärksten Motor angetrieben. Schon bei den Testfahrten vor der Saison wurde klar: Dieser Ferrari ist ein Siegauto: schnell und zuverlässig. In Australien wurden zuletzt Erinnerungen an die Dominanz eines Michael Schumacher im Ferrari wach. «Manchmal schien es mir, als würde ich diese guten Zeiten noch einmal erleben», sagte Teamchef Mattia Binotto vor dem Heimrennen in einem Interview der italienischen Zeitung «Corriere della Sera».
Dazu kommt in Leclerc ein noch junger, aber schon gereifter Pilot. 2019 stieg er von Sauber zu Ferrari auf, wurde Teamkollege von Sebastian Vettel und machte von Beginn an klar: Auch ein viermaliger Weltmeister sollte ihn fürchten. In den drei gemeinsamen Jahren landete er in der WM jeweils vor Vettel. Fahrerisch hat sich der Monegasse, der sich über die Titel in der GP3 und der Formel 2 für die Königsklasse empfohlen hatte, stetig verbessert und findet derzeit die passende Balance zwischen Aggressivität und Kalkül. Und auch auf das einstige Hassduell zu Kartzeiten mit dem gleichaltrigen Verstappen schaut Leclerc mittlerweile eher gelassen zurück. Es gebe jetzt viel Respekt füreinander. Mal sehen, ob das auch so bleibt.
Was für Rekordweltmeister Lewis Hamilton spricht
Mercedes hat die WM jahrelang dominiert. Mercedes hat aber auch schon im vergangenen Jahr im Duell mit Red Bull wieder üben können, was es heißt, aufholen zu müssen. Das Team ist seit Jahren gewachsen, der Erfolg hat es zusammengeschweißt. Die letztlich verlorene Fahrer-WM gegen Verstappen traf das Team zwar tief, hat es aber nicht zu Boden geschickt. Die Gier nach Revanche ist enorm.
In George Russell steht Hamilton ein mehr als viel versprechender Kollege nun zur Seite. Und Hamilton selbst kann eh nichts mehr aus der Bahn werfen. Das bittere Finale 2021 im Hinterkopf, besinnt sich der Brite auf seine Qualitäten, die Stärken seines Teams und die gemeinsamen Erfahrungen. «Wir haben in den Jahren vorher gesehen, wie viel in einer Saison passieren kann», sagte er am Freitag. Zur Rechnung seines Teamchefs Toto Wolff, der die Titelchance auf nur noch 20 Prozent beziffert, sagte Hamilton: «Ich bin kein Mathematiker.» Es werde auf jeden Fall hart. Aber genau diese Herausforderungen haben Hamilton und Mercedes zu dem gemacht, was sie sind.
Was für Titelverteidiger Max Verstappen spricht
Mit der Krönung im vergangenen Jahr fiel eine unendliche Last von dem Niederländer ab. Genau das kann jetzt hilfreich sein. Er ist megaehrgeizig, aber das sind sie alle, die wirklich um den WM-Titel fahren. Nur zu verbissen zu sein, könnte aktuell in eine Abwärtsspirale führen. Verzweifeln hilft nicht. Die Saison ist wie Hamilton betont noch lang. Und vor Rückschlägen ist auch die Konkurrenz nicht gefeit.
Allerdings sind Probleme mit der Zuverlässigkeit immer das, was die Teams am meisten fürchten. Zehntelsekunden finden, um schneller zu werden, ist die eine Sache. Defekte sind eine andere. «Es waren unterschiedliche Dinge. Wir haben sie ausgeräumt», sagte Verstappen in Imola: «Aber wir müssen sehen, ob es nun klappt.» Sein Team kennt die Rolle des Jägers nur zu gut. Jahrelang fuhren sie hinter Mercedes her. Und nun hinter Ferrari.
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