Der Angeberspruch «Alles ist größer in Texas» führt beim Formel-1-Gastspiel in Austin direkt ins Herz eines höchst brisanten Streits.
Denn übergroße Cowboyhüte und der enorm gewachsene Fanandrang auf dem Circuit of the Americas passen der Rennserie zwar ins Bild, die vom Weltverband forcierte Erweiterung um ein elftes Team aber stößt auf erbitterten Widerstand. Dass der verbliebene Bewerber Andretti ein US-Projekt ist, dürfte die Sache beim Grand Prix am Wochenende zum Gesprächsthema Nummer eins im Fahrerlager machen.
«Es geht ums Geld»
«Lasst uns keine Spielchen spielen: Es geht ums Geld», sagt Mohammed Ben Sulayem, der Präsident des Internationalen Automobilverbands Fia. Der 61-Jährige hat die Bosse der Formel 1 mit seinem Wunsch nach mindestens einem weiteren Team schwer in Bedrängnis gebracht. Alle Bedenken, eine Fahrerlaubnis für Andretti würde den Wert und die Einnahmen der etablierten Rennställe erheblich drücken, wischt der Ex-Rennfahrer aus Dubai beiseite.
«Sehr positiv» sehe er die Chancen für Andretti im weiteren Verfahren. Auch das Auslaufen eines Vorvertrags mit Renault als Motorenpartner für Andretti sei kein Problem.
Mit der forschen Ausschreibung der laut Regelwerk offenen Startplätze hatte die Fia die Formel 1 zu Jahresbeginn überrumpelt. Vor kurzem erhielt dann das gemeinsame Projekt des einst glücklosen Formel-1-Piloten Michael Andretti (61) mit dem Autoriesen General Motors den Zuschlag. Jetzt ist das Management der Formel 1 (FOM) mit dem Rechteinhaber Liberty Media am Zug. Und die FOM bekommt mächtig Druck von den Teamchefs, die offiziell gar kein Mitspracherecht haben.
«Was ist denn der zusätzliche Wert für die Formel 1? Wir haben mit Haas schon ein amerikanisches Team, wir haben einen amerikanischen Fahrer», sagt Ferrari-Rennleiter Frédéric Vasseur. Der schwerreiche Aston-Martin-Besitzer Lawrence Stroll betont: «Der Sport war nie besser aufgestellt. Und wenn etwas nicht kaputt ist, muss man es nicht reparieren.»
Horner und Wolff verweisen auf gestiegene Werte
Auch Christian Horner, Teamchef von Weltmeister Red Bull, und sein Mercedes-Kollege Toto Wolff verweisen auf den zuletzt sprunghaft gestiegenen Wert der bestehenden Rennställe. Allein Ferrari wird im Sog des US-Booms der Formel 1 auf einen Wert von 3,5 Milliarden Euro geschätzt, Haas immer noch auf 700 Millionen. Ein elftes Team würde da womöglich die Werte verwässern.
Noch dramatischer zeichnen die Chefs der kleineren Teams das Bild. Williams-Teamchef James Vowles verweist darauf, dass sein zeitweilig abgehängter Traditionsrennstall bei seiner Aufholjagd weiter Millionenverluste schreibt und die Zeit für weitere Konkurrenten noch nicht gekommen sei. Und Günther Steiner von Haas, für den Andretti beim Buhlen um US-Sponsoren gefährlich werden könnte, erinnert an die Corona-Krise: «2020 haben wir in der Formel 1 ums Überleben gekämpft. Wenn man mehr Teams zulässt, ist das Risiko größer, dass wir scheitern, wenn etwas schiefläuft.»
Seit Monaten geht das nun so. Formel-1-Geschäftsführer Stefano Domenicali reagierte bislang kühl auf die Pläne von Fia und Andretti. Der Italiener muss nun prüfen, ob das elfte Team auch unter kommerziellen Gesichtspunkten Grünes Licht bekommt. Je länger sich der frühere Ferrari-Teamchef Zeit lässt, umso schwieriger wird es für Andretti, wie erhofft schon 2025 einzusteigen.
Neuer Grundlagenvertrag ab 2026
Ab 2026 aber wird ein neuer Grundlagenvertrag greifen. Dann könnte die Eintrittsgebühr für neue Teams von aktuell 200 Millionen Dollar (rund 190 Millionen Euro) deutlich steigen. Dieses Geld wird als Ausgleich unter den anderen Teams verteilt, weil ihr Anteil an den Vermarktungsmilliarden mit einem weiteren Mitspieler rechnerisch kleiner wird. 600 Millionen Dollar, also 570 Millionen Euro, könnten von 2026 an für Neueinsteiger fällig werden. Diese Form der Inflation würde Andretti sicher gern umgehen.
Sollten sich die Formel-1-Chefs quer stellen, treibt so manchen schon die Sorge vor den Wettbewerbshütern der EU um. Andretti oder sogar die Fia könnten Gerichte bemühen, um mithilfe des Kartellrechts die Zulassung des elften Teams zu erzwingen. Potenten Bewerbern die Teilnahme ohne nachvollziehbare Gründe zu verweigern, hatte die EU schon zu Beginn des Jahrtausends untersagt.
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