Er wollte die Revanche für den vermeintlich geraubten WM-Titel im vergangenen Jahr.
Er wollte mit dem achten Triumph alleiniger Rekordweltmeister der Formel 1 werden und Michael Schumacher überholen. Er wollte in diesem Jahr seinen 103 Siegen in der Motorsport-Königsklasse und den 103 Poles viele weitere hinzufügen.
Stattdessen wird Lewis Hamilton überrundet und verhöhnt von Red Bull, geschlagen vom eigenen neuen Teamkollegen und vor die schwerste Bewährungsprobe seiner bisher so glorreichen Zeit bei Mercedes gestellt.
Leistungspotenzial des W13 bleibt ungenutzt
«Ich bin sicher raus aus der WM», sagte Hamilton in Imola, Stimmung und Stimme schwer gedämpft. Ganz sicher? Teamchef Toto Wolff will sich vom Gedanken an die WM jedenfalls nicht verabschieden. «Was ich an dem Sport liebe, ist, dass er nicht immer der Mathematik folgt.» Und auch Hamiltons Stallrivale George Russell, der es beim Großen Preis der Emilia Romagna immerhin bis auf Platz vier schaffte, ist überzeugt: «Lewis wird unglaublich stark zurückkommen. Daran habe ich keine Zweifel.»
Wenn einer die Reife, die Stärke und die innere Motivation hat, diese Phase mit der «weiteren Horrorshow» («The Sun») in Imola zu überwinden, dann sicherlich Hamilton. 37 Jahre alt ist er Anfang Januar geworden. Seit 2007 fährt er als erster Schwarzer in der Formel 1. 2008 feierte er seinen ersten WM-Titel, mit ein bisschen mehr Cleverness und Erfahrung hätte es schon in seinem Premieren-Jahr geklappt.
Seine wahre Entfaltung erlebten er und die Formel-1-Welt aber erst nach dem Wechsel von McLaren zu Mercedes zur Saison 2012. Hamilton wurde nicht nur dort nominell zum Nachfolger des siebenmaligen Champions Michael Schumacher. 2014 und 2015 gewann Hamilton erneut die WM, 2016 wurde er in einem giftigen Stallduell geschlagen von Nico Rosberg. Aus seinen Nachlässigkeiten von damals zog Hamilton weitere Lehren. Seine Abneigung für Testfahrten legte er auch ab. Immer getreu seinem Motto: «Still I rise» – zu deutsch: Ich wachse weiter.
Mercedes-Teamchef Wolff nimmt Hamilton in Schutz
Und das tat er. Hamilton legte mit den Titeln 2017, 2018, 2019 und 2020 nach. Und er hätte auch 2021 triumphiert, wenn der damalige Rennleiter Michael Masi mit seinen Entscheidungen im Finale von Abu Dhabi Max Verstappen im Red Bull auf der letzten Runde nicht noch mal eine finale Überholchance ermöglicht hätte. «Vielleicht hätte er letztes Jahr aufhören sollen», riet nun Red Bulls Motorsportchef Helmut Marko im Sieger-Hochmut von Imola und grinste in die Kamera.
Wie das im Lager von Mercedes ankommt, wird sich jeder vorstellen können. Den Tiefschlag durch das WM-Finale hatte Hamilton wochenlang völlig zurückgezogen verarbeitet. Die Zeiten des einst öffentlich an Liebeskummer leidenden Hamilton sind lange vorbei. Auch die Stichelei des so lange gegen Mercedes unterlegenen Rivalen Red Bull werden Hamilton nicht umwerfen.
Das Problem ist aber: Hamilton ist weder der Krisenauslöser, noch der Krisenlöser. Er müsse ihn da in Schutz nehmen, betonte Teamchef Wolff. Es ist nicht sein Tief, es ist das Leistungstief des Autos.
Das Problem ist das starke Hüpfen des Wagens, in dessen Folge das Setup nicht optimal ist und dadurch das Leistungspotenzial des W13 ungenutzt bleibt. «Wenn wir es schaffen, dass Auto einigermaßen gerade auf die Bahn zu stellen, fahren wir vorne mit», sagte Wolff und bekräftigte Richtung Hamilton: «Der Kerl ist der beste Fahrer in der Welt, er hat einfach nicht die Maschine und die Ausrüstung, das zu zeigen.» Wehe, wenn er sie wieder hat.
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