Auf den zusätzlichen Nervenkitzel ausgerechnet in den engen Straßen Bakus hätte Max Verstappen gern verzichtet.
Die Einführung einer zweiten Qualifikation und die kurzfristig abgesegnete Format-Reform an den Grand-Prix-Wochenenden mit einem Sprintrennen sind so gar nicht nach dem Geschmack des erneut dominanten Formel-1-Weltmeisters, der nun schon in Aserbaidschan noch mehr Crash-Gefahr fürchtet. Doch auf dem Weg zur Modernisierung der Rennserie sind für die Fans attraktivere Formate und mehr Show die Zukunft – auch wenn die Spektakel-Jagd von Sorgen begleitet wird.
«Ich bin nervös wegen eines Sprints in Baku, weil man einfach nicht genug Zeit hat, um etwas zu reparieren, wenn man einen größeren Schaden hat», sagte Aston-Martin-Teamchef Mike Krack dem Fachportal «Autosport.com». Erstmals wird am Samstag auf einem Formel-1-Stadtkurs gesprintet. Und erstmals bestimmt das Ergebnis nicht mehr die Startaufstellung für den Grand Prix am Sonntag (13.00 Uhr/Sky). Dadurch erhoffen sich die Macher mehr Risikobereitschaft bei den Fahrern.
Qualifikation vorgezogen
Künftig wird an den Sprint-Wochenenden – davon gibt es in dieser Saison schon sechs – bereits am Freitag die Qualifikation für das Hauptrennen gefahren. Am Samstag gibt es losgelöst davon ein verkürztes Sprint-Qualifying und anschließend ein Kurz-Rennen über nur 100 Kilometer, bei dem es für den Gewinner immerhin acht WM-Punkte gibt. Dafür wird ein für die Fans recht belangloses Training am Samstagvormittag gestrichen, den Fahrern bleibt lediglich noch eine einstündige Trainingseinheit pro WM-Lauf am Freitag.
«Für mich geht es in Sprints nur ums Überleben, nicht um ein Rennen», sagte Weltmeister Verstappen kürzlich in Australien. Der Fokus des überlegenen Red-Bull-Fahrers liege immer auf dem eigentlichen Grand Prix, bei dem es für den Sieger 25 WM-Zähler gibt. «Es ist nicht die DNA der Formel 1, diese Sprints zu machen. In der Formel 1 geht es um ein gutes Qualifying und dann einen starken Sonntag mit einer langen Renndistanz», sagte Verstappen.
Viele andere begrüßten jedoch die Veränderungen. «Ein zweites Qualifying ist viel besser für die Fans und auch für uns, weil es spannend ist», sagte Haas-Teamchef Günther Steiner: «Es passiert jetzt noch mehr mit zwei Qualifyings und zwei Rennen – und ich denke, das ist großartig für den Sport.» Seine Meinung könnte sich aber schnell ändern, sollten sich seine Fahrer am Samstag schwere Unfälle leisten oder unverschuldet in Chaos verwickelt werden. Möglich ist, dass ein beschädigter Wagen nicht rechtzeitig repariert werden kann.
Enge Kurven in der Altstadt
Gerade in Baku gab es in der Vergangenheit einige schwere Unfälle. Der Kurs am Kaspischen Meer bietet eine Mischung aus breiten Highspeed-Geraden und engen Kurven in der Altstadt. Mut ist gefragt, Übermut wird hart bestraft. 2018 kollidierten die damaligen Red-Bull-Teamkollegen Verstappen und Daniel Ricciardo nach einem harten Zweikampf und schieden beide aus.
2021 krachte Lance Stroll nach einem Reifenplatzer mit viel Wucht in die Streckenbegrenzung. Dem in Führung liegenden Verstappen passierte kurz darauf ähnliches und er schied aus, bevor er im Vorjahr dann endlich in Baku gewinnen konnte.
«Ja, wir sind nervös», sagte McLaren-Teamchef Andrea Stella und verdeutlichte das Dilemma der Rennställe. «Gleichzeitig unterstützen wir die Steigerung des Spektakels durch die Sprintrennen. Irgendwie müssen wir uns anpassen.» Letztendlich gehe es darum, ein gutes Gleichgewicht zwischen Show und vertretbarem Risiko zu finden, betonte der Italiener.
Frage des Geldes
Seit der Einführung einer Kostenobergrenze in der Motorsport-Königsklasse ist es längst auch eine Frage des Geldes. Nach schweren Unfällen können nicht mehr unbegrenzt neue Teile produziert werden, ohne dass dies zulasten der Weiterentwicklung an den Autos geht. Das musste auch Steiner mit Haas schon spüren. Als Mick Schumacher im Vorjahr Crashs mit Schäden in Millionen-Höhe verursachte, konnten technische Verbesserungen nicht so schnell wie geplant durchgeführt werden, weil das Geld in die Reparaturen fließen musste.
Geht es nach Verstappen, sollte die Formel 1 ohnehin an anderer Stelle ansetzen, um mehr Spektakel zu schaffen. «Wie man noch mehr Action bekommt: Man muss die Autos näher zusammenbringen, es müssen mehr Teams die Chance auf einen Sieg haben, dann wird die Show ganz natürlich großartig», sagte der Niederländer: «Wenn sechs oder sieben Teams um einen Sieg kämpfen, dann wäre das unglaublich und man muss gar nichts verändern.»
Doch von sportlicher Spannung ist die Rennserie derzeit weit entfernt. Kaum jemand zweifelt daran, dass sich Verstappen seinen dritten WM-Titel nacheinander sichern wird. Das Auto von Red Bull ist der Konkurrenz weit voraus – auch vor dem Start in Baku.
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