Bugatti ist in der Autowelt so etwas wie ein Synonym für Superlativ. Es gibt kein Modell aus dem elsässischen Molsheim, das nicht mit mindestens einem Bestwert vorfährt.

Das war schon vor über 100 Jahren so, als Ettore Bugatti seine ersten Autos baute. Das war so unter der Ägide des Italieners Romano Artioli, der die Marke in den 1990er-Jahren wieder aufleben ließ. Und daran hatte sich auch nichts geändert, als VW die Markenrechte zur Jahrtausendwende übernommen und den Veyron auflegte. 

Und wenn die Wolfsburger Ära jetzt mit dem neuen Mistral samt legendären 16-Zylinder zu Ende geht, dann verabschiedet der sich wieder mit ein paar Bestwerten. Seit ein paar Jahren gehört Bugatti mehrheitlich zur Rimac Group, an der wiederum Porsche beteiligt ist und VW damit nur noch indirekt.

Zum Abschied ein paar Rekorde 

Denn bevor der Bugatti-Chef Mate Rimac seinen Tourbillon von der Leine lässt, gibt der Chiron seinen Ausstand und wird als Mistral zum Roadster der Rekorde. Nicht nur die 1176 kW/1600 PS des W16-Motors mit acht Litern Hubraum sind unerreicht, sondern eine Höchstgeschwindigkeit von 420 km/h macht ihn zur schnellsten Sonnenbank der Welt. Auf abgesperrter Strecke hat ein Testfahrer damit sogar 453,9 km/h geschafft und so jeden Formel-1-Piloten ausgestochen. 

Ach ja, und noch einen Spitzenwert können die Franzosen für sich verbuchen. Mit knapp sechs Millionen Euro ist der auf 99 Exemplare limitierte Mistral auch das teuerste Open-Air-Modell, das irgendwo «vom Band» läuft.

In der Hand ein tanzender Elefant 

Immerhin gibt es für so viel Geld ein Auto aus wochenlanger Handarbeit, das eher Kunstwerk ist als Kraftfahrzeug. Nicht nur, weil sie den Chiron dafür in eine komplett neue Karbonhülle gesteckt haben, die alle Blicke auf sich zieht. Sondern die Sache mit der Kunst kann man sogar wörtlich nehmen. 

Denn im Wählhebel der siebenstufigen Doppelkupplungsautomatik ist die Miniatur jenes tanzenden Elefanten eingearbeitet, mit dem sich Ettores jüngerer Bruder Rembrandt Bugatti einen Namen als Bildhauer gemacht hatte. So fühlt man sich beim Schalten fast wie ein Zirkusdirektor. Oder wie der Dompteur eines wilden Tiers – was bei so viel Leistung nicht ganz falsch ist. 

Erst zahm wie ein Polo … 

Wobei: So spektakulär sich das Datenblatt liest und so viel Aufmerksamkeit der Mistral erregt, wo immer er auftaucht, so unspektakulär sind die ersten Meter. Denn abgesehen von der Breite, von der eher bescheidenen Übersicht und vom riesigen Wendekreis fährt man den Bugatti so einfach wie einen Polo.

Obwohl er mehr Leistung hat als ein Formel-1-Auto, hängt er nicht giftig und gierig am Gas, sondern flaniert vornehm und verhalten durch die Vororte um die Manufaktur in Molsheim unweit von Straßburg. 

… dann plötzlich ein brachiales Biest 

Doch wehe, man legt unbedacht ein bisschen mehr Nachdruck in den rechten Fuß oder ist irgendwann draußen in freier Wildbahn: Dann zeigt der Mistral sein zweites Gesicht. Der Bugatti wird zum Biest und der Fahrer erlebt einen Rausch der Sinne, wie ihn sonst kein Auto zu bieten hat. Während einen das Kraftwerk im Nacken mit bis zu 1.600 Nm dem Horizont entgegenschleudert, schlürft und schreit der Motor mit bis zu vier Turbos, dass den beiden Insassen in der ledernen Luxusoase Hören und Sehen vergeht. 

Die Ohren mögen zwar verzichtbar sein, zumal sie ohnehin wild im mächtig aufbrausenden Fahrtwind flattern. Und wer einmal diesen Motorsound gehört hat, ist für alle anderen Geräusche ohnehin taub. Doch ein bisschen Sicht wäre nicht schlecht, wenn man in 2,4 Sekunden auf Tempo 100 schießt und die analoge Tachonadel nach kaum mehr als fünf Sekunden über die 200 wischt.

Denn so leicht der Wagen auch bei diesem Tempo auf der Straße zu halten ist und so viel Restkomfort die Entwickler aus der Karbonstruktur gerettet haben, braucht es volle Konzentration: Wer nur entspannt den Sommer unter freiem Himmel genießen will, darf sich nicht auf die schnellste Sonnenbank der Welt legen. Zumal bei Sturmstärken jenseits von 300 km/h dann irgendwann von Entspannung ohnehin keine Rede mehr sein kann. 

Machtlos gegen Regenwolken 

So mühelos der Mistral die Grenzen der Physik verschiebt, so machtlos ist er gegen die Meteorologie. Denn wenn es regnet und die Besitzer das Notverdeck aufspannen müssen, dann wird nur noch eine Spitze von 160 Sachen empfohlen und der Vorreiter wird zum Nachzügler. 

Aber das werden die Mistral-Eigner verschmerzen können. Während eines kurzen Schauers kann man sich auch mal zurücknehmen und für längere Schlechtwetterphasen hat der gemeine Bugatti-Kunde im Schnitt noch andere Autos in der Garage. 

Fazit: Eher Kunstwerk als Kraftfahrzeug 

Luxus und Leistung ohne Ende und einen Fahrzeugschein voller Superlative – natürlich kann man einen Bugatti kaum mit normalen Maßstäben messen. Darf man auch nicht. Sonst verzweifelt man spätestens beim Blick auf die Preisliste. Denn knapp sechs Millionen Euro ist kein Auto der Welt wert.

Doch das, was sie da im Atelier in Molsheim montiert haben, ist eher Kunstwerk als Kraftfahrzeug – und deshalb über jeden Zweifel erhaben. Wer sich sowohl für Kunst als auch für Sportwagen begeistert und auf seiner sommerlichen Spritztour viel Aufsehen erregen will, wird von dem Bugatti kaum enttäuscht sein.

Datenblatt: Bugatti Mistral

Motor und Antrieb: W16-Turbo-Benzindirekteinspritzer
Hubraum: 7.993 ccm
Max. Leistung: 1.176 kW/1.600 PS 
Max. Drehmoment: 1.600 Nm bei 2.000 – 6.000 U/min
Antrieb: Allradantrieb
Getriebe: 7-Gang-Doppelkupplung

 

Maße und Gewichte  
Länge: 4.694 mm
Breite: 2.118  mm
Höhe: 1.209  mm
Radstand: 2.711 mm
Leergewicht: 2.040 kg
Zuladung: k.A.
Kofferraumvolumen: k.A.

 

Fahrdaten  
Höchstgeschwindigkeit: 420 km/h
Beschleunigung 0-100 km/h: 2,4 s
Durchschnittsverbrauch: 21,8 Liter/100 km
Reichweite: k.A
CO2-Emission: 501 g/km
Kraftstoff: Super
Schadstoffklasse: Eu6
Energieeffizienzklasse: D

 

Kosten  
Basispreis:  5.950.000 Euro 
Typklassen: k.A.
Kfz-Steuer: 922 Euro/Jahr

 

Wichtige Serienausstattung  
Sicherheit: Vier Airbags, Allradantrieb, Tempomat, LED-Scheinwerfer
Komfort: Klimaautomatik, Lederausstattung, Infotainment-System, Notverdeck