24. November 2024

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ADAC-Sportpräsident Tomczyk: «Das Jahr war schrecklich»

Alleine die Aufzählung seiner Highlights als Motorsport-Funktionär dauert bei Hermann Tomczyk. Er weiß aber auch, dass das alles längst kein Selbstläufer mehr ist und welche Bedeutung ein Mick Schumacher noch haben könnte.

Hermann Tomczyk ist gut gelaunt. Er freut sich auf das, was nach Jahrzehnten als Funktionär im Motorsport nun kommt. «Ich habe kein Rentnersyndrom», sagt der 70 Jahre alte Rosenheimer.

Seine sechste Amtszeit als Sportpräsident des ADAC geht nun zu Ende, am Samstag stehen bei der ADAC-Hauptversammlung – coronabedingt nur online – auch die Wahlen des Präsidiums an. Länger als Tomczyk war keiner seiner Vorgänger auf dem Posten. Auch welche vor allem für seinen Nachfolger wichtige Themen werden, darüber sprach Tomczyk in einem Interview der Deutschen Presse-Agentur.

Frage: Mit welchem Gefühl räumen Sie nach so vielen Jahren Ihr Amt?

Hermann Tomczyk: Es ist ein gutes Gefühl. Bei der Vorbereitung meines Nachfolgers habe ich mir eine Rückschau erlaubt, was ich sonst eigentlich seltener mache, weil das nicht zielführend ist. Ich kann mit großer Zufriedenheit auf eine spannende Zeit im Motorsport zurückblicken. Zweieinhalb Jahrzehnte, das ist schon ein Zeitrahmen.

Frage: Was würden Sie im Rückblick als Höhepunkte sehen?

Ein Highlight, das sich durchzieht, war die Nachwuchsarbeit, die oft kritisiert wird, speziell im Motorradbereich. Diese Kritik ist nicht angebracht. Ich kenne keinen Verband, der uneigennützig seit 25 Jahren Nachwuchsarbeit macht – im Motorradbereich und Automobilbereich. Und gerade im Automobilbereich höchst erfolgreich. Wir haben Formel-1-Fahrer, die bei uns angefangen haben. Kleine Steppkes, die Weltmeister geworden sind wie Nico Rosberg oder Sebastian Vettel. Ein Highlight war auch, die Formel 1 an den Nürburgring zurückzubringen 1999 mit dem Großen Preis von Luxemburg. Auch die Deutschland-Rallye, die lange im WM-Kalender war. Oder der Grand Prix am Sachsenring, Motorrad lag ja am Boden in Deutschland.

Frage: Motorsport wird heute in der Gesellschaft deutlich anders gesehen als noch vor 25 Jahren. Wie hat das Ihre Arbeit verändert?

Beim DMSB haben wir uns immer gefragt, wie halten wir den Motorsport gesellschaftsfähig. Das Thema Umwelt haben wir sehr, sehr früh erkannt, Umweltrichtlinien für den Motorsport gibt es bei uns schon seit 2000. Die wurden immer weiter ausgebaut. Nicht zuletzt haben wir auch als einziger nationaler Motorsportverband die höchste Auszeichnung der Fia bekommen.

Frage: Welches wird die vordringlichste Aufgabe für Ihren Nachfolger sein?

Die Aufgaben heute sind vielschichtiger und das Thema Nachhaltigkeit ist ganz vorn dran. Wir werden relativ schnell zu anderen Antriebsformen kommen müssen. Oder wie die Rennwochenenden gestaltet werden können. Man wird das alles auf den Prüfstand stellen müssen. Zum anderen muss es uns gelingen, die Jugend wieder für die Faszination Motorsport zu gewinnen, das ist schwierig geworden. Das Automobil hat nicht mehr den Stellenwert für die jungen Leute. Letztlich kommt der wirtschaftliche Bereich dazu. Ohne Breitensport kein Spitzensport, ohne Spitzensport kein Breitensport.

Frage: Wie wichtig sind neue deutsche Stars?

Spitzensport heißt nicht nur Zuschauen, sondern Idole und Helden kreieren. Wenn ich an Walter Röhrl oder Sebastian Vettel denke, ist es immer leichter, die jungen Leute zu begeistern. Aber wir haben ja nicht mal mehr einen deutschen Grand Prix in der Formel 1, auch der Rallye-WM-Lauf ist in der Form nicht mehr da.

Frage: Wird es absehbar wieder Formel-1-Rennen in Deutschland geben?

Ich sehe das als äußerst schwierig an. Bis dato hatten wir die Situation, dass der Grand Prix vom Veranstalter finanziert werden musste mit Zuschauereinnahmen. Da sind wir im Vergleich mit anderen Grand Prix ganz weit hinten, wo der Industriepartner oder die Länder dahinter stehen. Wir können mit den Antrittsgeldern nicht mithalten.

Frage: Hat Mick Schumacher das Potenzial, ähnlich wie sein Vater eine Welle der Begeisterung auszulösen?

In jedem Fall glaube ich das. Zum einen hat er Talent und setzt das sehr vernünftig um. Er macht nicht den zweiten Schritt vor dem ersten. Zum anderen hat er einen Namen, der bei uns in Deutschland ganz oben leuchtet im Motorsporthimmel. Es ist dem Mick schon zuzutrauen, dass da noch ein Funke käme. Aber es ist nicht nur vom Namen abhängig, es ist auch von der Zeit abhängig. Als sein Vater Michael die größten Erfolge hatte, haben wir auf dem Nürburgring Zusatztribünen aufgebaut. Das gab es seitdem nie wieder.

Frage: Was hat Corona denn mit dem deutschen Motorsport gemacht?

Viel kaputt, vieles schwierig. Das Jahr war schrecklich, das darf nicht nochmal passieren. Ich hoffe, dass wir jetzt ein Ende erreicht haben. Dann ist das Schlimmste vermieden worden, dass uns noch mehr an der Basis wegbricht. Das ist der Unterbau, den wir brauchen, den Motorsport in der Breite gesellschaftsfähig zu halten.

Frage: Wie werden Sie Ihren ersten Tag nach ihrem Ausstieg erleben?

Da werde ich von Oschersleben zurückfahren in aller Gemütlichkeit. Dann habe ich tatsächlich in der nächsten Woche viel Freizeit und praktisch keine Termine.

Frage: Also besteht nicht die Gefahr, dass Ihnen die Decke auf den Kopf fällt?

Ich habe kein Rentnersyndrom. Außerdem hatte ich das Ganze schon in meiner Firma, da ist mir das genauso leicht gefallen.

ZUR PERSON: Hermann Tomczyk kennt den Motorsport als Aktiver, vor allem aber als Funktionär. Der am 15. Dezember 1950 in Mais/St. Georgen geborene Bayer gehört seit 1970 dem ADAC an, seit 1997 ist er dessen Sportpräsident. Tomczyk ist unter anderem Ehrenpräsident des Deutschen Motorsportbundes. 2017 wurde er für vier Jahre zum Vizepräsidenten Sport beim Automobil-Weltverband gewählt. Der diplomierte Kaufmann ist verheiratet und hat zwei Söhne.

Interview: Christian Hollmann und Jens Marx, dpa