In Flipflops und kurzer Hose schnappte sich George Russell eine Schaumdüse. An einem sonnigen Tag vor dem Großen Preis von Großbritannien widmete sich das Formel-1-Talent der Pflege seines blütenweißen Mercedes.
«Kümmere dich um die Dinge, die du liebst», verkündete der 23-Jährige in den Sozialen Netzwerken. Es war ein doppeldeutiges Motto, schließlich könnte der Williams-Pilot in der kommenden Saison endlich befördert werden und der neue Teamkollege von Rekordweltmeister Lewis Hamilton werden.
«Ich habe bei Mercedes schon vor fünf oder sechs Jahren unterschrieben», sagte der eines Wechsels hochverdächtige Engländer über seine Rolle als Silberpfeil-Junior. «Jeder weiß doch, dass sie sich um mich kümmern. Was aber mein Cockpit für kommendes Jahr betrifft, ist nichts unterschrieben oder besiegelt.» Es werde bei seinem Heimrennen in Silverstone keine Neuigkeiten geben.
Hartnäckig und voller Selbstvertrauen
Russell ist dem hinterherfahrenden Traditionsteam Williams längst entwachsen. Nach Tests für Force India und die Silberpfeile bezog er 2019 sein Formel-1-Stammcockpit. In seiner ersten Saison schlug er in jeder Qualifikation seinen Stallrivalen Robert Kubica, in der vergangenen Saison machte er das Gleiche mit Nicholas Latifi. Und in diesem Jahr macht er da einfach weiter.
An Selbstvertrauen und Hartnäckigkeit mangelte es Russell bereits vor dem Formel-1-Start nicht. Schon 2018 wollte er das Williams-Cockpit haben. «Er kam mit einer Powerpoint-Präsentation zu mir, in der er zeigen wollte, warum er unser bester Fahrer sein würde. So etwas habe ich noch nie bekommen», erinnerte sich der damalige Technikchef von Williams, Paddy Lowe, an das ungewöhnliche Treffen.
«Ich dachte mir, anstatt mich hinzusetzen und jemandem zu erzählen, wie gut ich bin, ist es doch besser, es zu Papier zu bringen und die Statistiken aufzulisten, die das untermauern», erläuterte Russell.
Mit seinem irren achten Platz in der Qualifikation von Silverstone betrieb er nun Werbung in eigener Sache für eine Beförderung. «Das war das beste Qualifying, das wir je hatten», sagte Russell am Freitag. «Ich bin in einen Groove gekommen, es lief einfach.»
Toto Wolff: «ein kleiner Löwe im Auto»
Ein dickes Lob gab es von seinem wohl künftigen Boss. «Es ist eine Augenweide, ihm zuzusehen», befand Mercedes-Teamchef Toto Wolff. «Er ist ein kleiner Löwe im Auto.» Der große Löwe mit sieben WM-Titeln, 98 Rennsiegen und 100 Pole Positionen müsste dann Hamilton sein.
Seit 2017 fährt er bei Mercedes an der Seite von Valtteri Bottas, der damals den zurückgetretenen Weltmeister Nico Rosberg abgelöst hatte. So wie die Leistungen des Finnen unbeständiger geworden sind, sind die Spekulationen um seinen Abschied zum Jahresende wuchtiger geworden. «Ich erwarte einige Fragen in Spa», sagte Wolff zur Klärung der Mercedes-Personalie nach der Sommerpause Ende August.
Bottas könnte 2022 mit Russell sogar einen Teamwechsel hinlegen, fuhr er doch selbst vier Jahre für Williams. Russell wiederum durfte sogar schon in einem Grand Prix einen Mercedes ausfahren.
In Bahrain, Anfang Dezember, sprang er für Hamilton ein, der mit dem Coronavirus infiziert war. Mit einer brillanten Leistung führte er das Rennen sogar lange an. Dann patzte bei einem Boxenstopp aber die Mercedes-Crew, und schließlich wurde Russell noch von einem Plattfuß ausgebremst. Immerhin holte er als Neunter noch Punkte.
«Ich denke, dass er in Zukunft die Möglichkeit haben wird, auf Podien zu stehen und um Rennsiege zu kämpfen, wenn er zu Mercedes geht», meinte der zweimalige Formel-1-Weltmeister Fernando Alonso nach einem packenden Zweikampf mit Russell in Österreich und lobte dessen Fehlerresistenz. «Es werden also andere Zeiten für ihn kommen.»
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