Es gibt wohl kaum ein neues Auto aus Deutschland, um das zuletzt so viele Worte gemacht wurden, wie um die «Neue Klasse». Schließlich will BMW damit nicht nur sich selbst neu erfinden, sondern endlich eine Antwort geben auf den Siegeszug Teslas und die Technologieführerschaft der Chinesen.

Doch jetzt ist dann mal genug geredet und Schluss mit der Theorie. In ein paar Wochen beginnt mit dem iX3 die Praxis für die «Neue Klasse» und es wird höchste Zeit für die Jungfernfahrt. Dafür hat BMW den iX3 50 xDrive bereitgestellt, der zu Preisen ab 68.900 Euro gehen Konkurrenten wie den Audi Q6, den Porsche Macan oder den ebenfalls neuen Mercedes GLC antritt.

Später soll ein Einstiegsmodell den Preis auf rund 60.000 Euro senken. Damit läge der iX3 ziemlich genau auf dem Niveau des X3, der als Vierzylinder-Benziner aktuell bei 59.800 Euro startet. Preisparität, eines der Ziele der neuen Klasse, hätte BMW damit schon mal erreicht. Einem neuen Look auch.

Mehr Platz und ein neuer Look

Zwar weist der iX3 lange nicht so weit in die Zukunft wie die vielen Studien zur «Neuen Klasse», mit denen BMW unser Interesse geweckt hat. Doch mit der schlanken, vertikal orientierten Niere im LED-Rahmen, neuen Scheinwerfern und Rückleuchten sowie einer schnörkellosen Linienführung sieht er immerhin neu und unverbraucht aus. Und geräumiger ist er ebenfalls geworden.

Bei 4,78 Metern Länge, 2,90 Metern Radstand und einem ebenen Wagenboden sitzt man auch in der zweiten Reihe erstklassig und genug Platz fürs Gepäck gibt es auch. Schließlich hat der iX3 solide 520 bis 1.750 Liter Kofferraum und endlich auch einen mit 58 Litern seriös nutzbaren Frunk. Nur dass man den noch entriegeln muss wie früher die Motorhaube ist arg antiquiert.

Anders, nur um anders zu sein?

Innen ist der Sprung allerdings noch deutlich größer. Denn BMW führt mit der «Neuen Klasse» auch ein neues Anzeige- und Bedienkonzept ein. Panoramic iDrive heißt das Zusammenspiel aus dem großen Zentraldisplay und einer zweiten Bildschirmleiste, die sich als schmaler Streifen unter die gesamte Frontscheibe spannt und weitgehend frei konfigurierbar ist.

Wem das nicht reicht, der kann zudem ein Head-up-Display bestellen. Das neue Anzeigenband ist zwar erst einmal ungewohnt, erweitert aber tatsächlich das Blickfeld des Fahrers, reduziert die Blickablenkung und erweist sich damit als gute Erfindung.

Was man vom neuen Lenkrad leider nicht behaupten kann: Eine vertikale statt der horizontalen Speiche, die fast eckige Grundform, merkwürdige Handauflagen und zwei Bedieninseln unter Plexiglas-Kappen – das Ganze wirkt ein bisschen so, als müsste es anders sein, nur um anders zu sein. Fortschritt in der Bedienung jedenfalls bietet es nicht. Genau übrigens wie der zur Seite geneigte und aus dem rechten Winkel genommene Mittelbildschirm.

Beim Fahren folgt die «Neue Klasse» der alten Schule

Ganz alte Schule ist die «Neue Klasse» dagegen auf dem Asphalt. Und das ist gut so. Denn wenn es um Fahrfreude geht, macht den Bayern nichts und niemand so schnell etwas vor – egal, ob das Auto nun ein Achtzylinder antreibt oder ob es aus einem Akku gespeist wird.

Nicht nur, dass man dem iX3 deshalb seine 2,4 Tonnen beim besten Willen nicht anmerkt. Er wirkt außerdem wunderbar engagiert und verbindlich: Das Fahrwerk ist präzise und gibt eine sehr gute Rückmeldung, ohne deshalb unkomfortabel zu sein. Die Karosserie wankt und schwankt nicht und verkneift sich jedes Nicken – sie ruht in sich selbst wie ein bayrischer Buddha. Und die Lenkung ist so präzise wie die Schnittführung eines Herzchirurgen.

Dabei folgen die Bayern zwar der alten Lehre, machen aber aus der neuen Technik keinen Hehl: Wer keines der Soundprofile anwählt, fährt deshalb in gelassener Stille, es gibt keine simulierten Schaltrucke oder Gangwechsel und die Rekuperation ist so stark, dass über 90 Prozent der Bremsungen allein durch die Energierückgewinnung erfolgen. Ihr neuer Fahrdynamikrechner jedenfalls trägt seinen Spitznamen «Heart of Joy» im iX3 zurecht.

Großer Akku für einen langen Atem 

Allerdings hat BMW dafür auch ordentlich aufgerüstet. So kommen die zwei Motoren des Allradlers auf zusammen 345 kW/469 PS und 645 Nm, mit denen der Sprint aus dem Stand auf Tempo 100 in 4,9 Sekunden gelingt und erst bei 210 km/h Schluss ist. Und dass der Wagen imposante 805 Normkilometer schafft, liegt nicht allein an der gesteigerten Effizienz, sondern auch am riesigen Akku. Denn 109 kWh baut in dieser Klasse sonst keiner ein.

Damit der Boxenstopp da nicht zur Geduldsprobe wird, hat BMW zugleich die Ladeleistung hochgeschraubt. Mit bis zu 400 kW ist der iX3 aktuell der Auflademeister unter den deutschen E-Autos.

Fazit: alles neu und alles Klasse, aber keine neue Klasse

Er sieht frisch und unverbraucht aus, macht beim Anzeige- und Bedienkonzept einen großen Sprung und bei der Elektrotechnik erst recht. Außerdem sinkt der Preis auf das Niveau der Verbrenner und vor allem fährt er so, wie man es von einem BMW erwartet. Es ist also nicht nur alles neu, sondern auch alles klasse am iX3. Er mag sogar das aktuell beste Elektroauto aus Deutschland sein, kommt auf Augenhöhe mit Tesla und nah an die fortschrittlichsten Chinesen.

Und vielleicht hat BMW sich damit tatsächlich neu erfunden. Aber das Auto an sich neu erfunden? Dafür sind die Bayern doch nicht weit genug gesprungen. 

Datenblatt: BMW iX3 50 xDrive

Motor und Antrieb: Zwei E-Maschinen
Max. Leistung: 345 kW/469 PS 
Max. Drehmoment: 645 Nm 
Antrieb: Allrad
Getriebe: Eingang-Automatik

 

Maße und Gewichte  
Länge: 4.782 mm
Breite: 1.895 mm
Höhe: 1.635 mm
Radstand: 2.897 mm
Leergewicht: 2.360 kg
Zuladung: 540 kg
Kofferraumvolumen: 520-1.750 Liter

 

Fahrdaten  
Höchstgeschwindigkeit: 210 km/h
Beschleunigung 0-100 km/h: 4,9 s
Durchschnittsverbrauch: 15,1 kWh/100 km
Reichweite: 805 km
Batteriekapazität (netto): 109 kWh
Ladeleistung AC/DC:  22/400 kW
Energieeffizienzklasse: A

 

Kosten  
Basispreis des BMW iX3  68.900 Euro
Typklassen: k.A.
Kfz-Steuer: 0 Euro/Jahr

 

Wichtige Serienausstattung  
Sicherheit: Neun Airbags, Abstandsregelung, Spurführungshilfe
Komfort: Digitalcockpit mit Panoramic iDrive und Spracherkennung, elektrische Heckklappe, Smartphone als Zündschlüssel