Er war nicht schön, aber selten – und vor allem war er konsequent. Denn wie seit der ersten Ölkrise in den 1970er-Jahren nicht mehr, hatte Audi beim A2 alle damals denkbaren Register für einen möglichst niedrigen Verbrauch gezogen und so eines der ersten Drei-Liter-Autos der Welt auf die Räder gestellt.
Das ist nach Angaben von Audi Tradition-Sprecherin Daniela Henger jetzt ziemlich genau 25 Jahre her. Heißt: höchste Zeit, die am 30. Juni 2000 eingeführte Sparbüchse wieder aus der Garage zu holen und dem Technologieträger noch einmal auf den Zahn zu fühlen.
Sah der 3,83 Meter kurze A2 mit dem knuffigen Front-Design, dem hohen Dach und der fast tropfenförmigen Verjüngung am Heck bei der Premiere auf der IAA im Herbst 1999 noch etwas fremdartig aus, haben wir uns an solche Skulpturen mittlerweile gewöhnt.
Ausgeklügelte Form und exotischer Materialmix
Schließlich hat uns die Elektromobilität und das Ringen um die Reichweite gelehrt, wie wichtig der cw-Wert ist – also vereinfacht gesagt eine gute Windschlüpfigkeit. Nur, dass Audi das schon damals gewusst und den Wagen auf einen Wert von 0,25 gedrückt hat. Zum Vergleich: Ein VW Polo kam zur Jahrtausendwende im besten Fall auf 0,32.
Zugleich haben die Bayern kräftig an der Gewichtsschraube gedreht und mit jedem Gramm gegeizt. Die Karosserie war – wie damals sonst nur beim Flaggschiff A8 – aus Aluminium über einen sogenannten Space Frame gezogen, einem Rahmen in einer Art Skelettbauweise. Das freut die Gebrauchtwagenkunden heute, weil das Leichtmetall nicht rostet.
Und viele Komponenten waren aus seinerzeit exotischen Materialien wie Magnesium gefertigt, was Ersatzteilsuchende heute in den Ruin treibt, oder wie die Antriebswellen hohl gebohrt. Aber deshalb brachte der A2 im besten Fall gerade einmal 855 Kilo auf die Waage und war damit rund drei Zentner leichter als konventionelle Fahrzeuge in dieser Klasse.
Das größte Sparpotenzial jedoch haben die Bayern natürlich mit dem Antrieb gehoben. Ja, es gab den A2 auch als Diesel und Benziner mit bis zu 81 kW/110 PS und Spitzengeschwindigkeiten von 202 km/h.
Aber zum König der Knauserer machte ihn ein nur 1,2 Liter großer Dreizylinder-Diesel mit gerade mal 45 kW/61 PS, der im Eco-Modus sogar auf 33 kW/45 PS gedrosselt wurde. Und als wäre das nicht schon Einschränkung genug gewesen, gab es dazu auch noch eine frühe Start-Stopp-Automatik und ein automatisiertes Fünfgang-Getriebe – Normverbrauch: 2,99 Liter.
Der Motor lebt – unüberhörbar am Nageln und Knattern
Wer den TDI heute noch einmal anlässt, der hört ein Nageln und Knattern, das so antiquiert klingt wie deutscher Schlager auf Schellack. Während die Mildhybriden von heute das Aus- und Anschalten des Verbrenners so sanft gestalten, dass man zur Beurteilung des Betriebszustandes schon den Blick auf den Drehzahlmesser braucht, geht im A2 jedes Mal ein Rucken durch den Wagen – von der Gedenksekunde beim Anfahren ganz zu schweigen.
Wenn er mal im Leerlauf bleibt, dann dreht er dabei so langsam, dass man ständig fürchtet, er könnte ausgehen. Und wenn die Elektronik die Schaltpunkte bestimmt, dann schaltet der A2 so früh rauf und so spät runter, dass man ebenfalls ständig mit einem Absterben des Motors rechnet.
Die Tanknadel scheint festgetackert
Befriedigung bezieht man da freilich nicht über den Tacho, schließlich klettert die Nadel nur in quälend langen 14,9 Sekunden auf Tempo 100 und zittert sich danach mühsam bis auf 168 km/h hoch. Sondern – Geiz war schließlich damals geil – so richtig glücklich macht der Blick auf die Tankuhr, deren Zeiger wie festgeklebt erscheint, so langsam bewegt er sich. Und das, obwohl der Tank gerade mal 21 Liter fasst. Aber die reichen hier theoretisch schließlich für souveräne 700 Kilometer.
Auch wenn die Fahrfreude, nun ja, ein wenig kurz kommt, hat der A2 einiges zu bieten. Die Materialauswahl ist für einen Kleinwagen seiner Zeit fast schon luxuriös und macht auch heute noch Eindruck. Das Raumangebot ist in beiden Reihen erstaunlich großzügig, und der Blick in den Kofferraum entlockt einem immer wieder ein Staunen, erst recht mit ungelegten oder – wie sonst nur bei Vans – mit zwei Handgriffen ausgebauten Rücksitzen.
Stirnrunzeln dagegen gibt es beim Versuch, die Bughaube zu öffnen. Bis man sich daran erinnert, dass beim A2 wie heute bei vielen E-Autos schon damals der Motorraum verschraubt war und stattdessen für normale Wartung nur eine Serviceklappe eingebaut wurde. Die Haube selbst ließ sich mittels zweier Verschlüsse unter dieser Klappe auch komplett demontieren.
Von der Kritik geliebt – von den Kunden nicht gehassst, aber…
Zwar wurde der A2 mit Preisen und Auszeichnungen überhäuft, von den Kunden allerdings weitgehend ignoriert: Genau wie ein paar Jahre später der BMW i3 oder der Opel Ampera war auch Audis Alu-Sparbüchse ihrer Zeit voraus und hatte den Geschmack nicht so recht treffen können, räumt die Audi Tradition in ihrem Rückblick freimütig ein.
Und dass Audi schon für die Basisversion 31.978 und für das Drei-Liter-Auto sogar rund 36.000 D-Mark verlangte, war dabei sicher auch keine Hilfe. Der deutlich größere A3 zum Beispiel war schon für einen ähnlichen Preis zu haben.
Deshalb wurde die Produktion des A2 nach kaum mehr als fünf Jahren bereits 2005 wieder eingestellt. Am Ende stehen nur 176.377 Einheiten der Firmen-Chronik. In guten Zeiten hat Audi vom A3 mehr Autos gebaut – und zwar in einem Jahr.
Die Tiefen des Gebrauchtmarktes passiert – auf dem Weg zum Oldie?
Zwar hat der Audi A2 mittlerweile seine verdiente Anerkennung erfahren, sagt Oldtimer-Experte Frank Wilke und registriert für Gebrauchtwagen so langsam steigende Preise. So taxiert der Chef des Marktbeobachters Classic Analytics den Kleinwagen in gutem Zustand mittlerweile auf 5.600 Euro. Doch trotz der wachsenden Fangemeinde und des richtigen Alters: Wilke tut sich schwer, den A2 vom exotischen Alltagsauto mit solider Langzeitqualität und rostfreier Aluminium-Karosse zum klassischen Oldtimer aufzuwerten:
«Man kann die Technik und den Weitblick der Ingenieure bewundern und den A2 außerdem in einer Reihe mit dem VW Phaeton, dem Bugatti Veyron oder dem VW XL1 zu den erinnernswerten Vermächtnissen des VW-Paten Ferdinand Piëch zählen», sagt Wilke. «Deshalb gehört er natürlich in eine gut sortierte Sammlung und in jedes Museum für die jüngere Automobilgeschichte.»
Aber für Spritztouren und Sonntagsfahrten, wie man sie mit Oldtimern sonst gerne macht, fehlt dem Experten im A2 etwas ganz Entscheidendes, erst recht im Drei-Liter-Auto: «Von Fahrspaß oder wenigstens einem tollen Motorsound kann in diesem Auto keine Rede sein», sagt er. «So gerne man ihn heute als Designikone anschaut oder als Referenz für technischen Fortschritt und frühe Sparbemühungen heranzieht, sich reinsetzen und damit in den Sonnenuntergang fahren, will keiner.» Was meinen Sie?